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Meine kleine bayerische Sprachbiographie in Schimpfwörtern

Bayerische Landschaft mit Heuballen

Der Bayer schimpft gerne, einfach schon alleine deswegen, weil es auf Bairisch so viel Spaß macht. Dabei kann er sich einer Vielzahl gängiger bayerischer Schimpfwörter bedienen, die dem Preißn unverständlich bleiben. Gerne fügt der Bayer dem Preißn auch noch die Steigerung Sau hinzu: Saupreißn de! Damit die bayerischen Leser unter uns amüsierend schmunzeln können und Zuagroaste sowie Preißn ins Mysterium der bayerischen Schimpfwörter eingeweiht werden, lasse ich Sie, geneigter Leser, im Nachfolgenden in meine Kindheit auf dem Land bzw. in meine bayerische Sprachbiographie eintauchen.

Die Enkel-Bagage

Eines meiner Lieblingswörter ist Bazi. Das hat neben der negativen Bedeutung ‚durchtriebener Schlingel‘ auch die positive Konnotation des im Standarddeutschen vorhandenen Wortes Schlingel. So könnte ein Großvater sein Enkelkind liebevoll Bazi oder auch Lackl (eigtl. ungehobelter Typ) nennen, ohne dass er es böse meint, sondern als Ausdruck dafür, dass er auf seine kindliche oder jugendliche Frechheit ein klein wenig stolz ist. Und wenn er all seine Enkelkinder zusammenruft, dann spricht er von der ganzen Bagage. Eigentlich heißt Bagage, ein französisches Fremdwort, ‚Gesindel‘, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Opa das so meinte, immerhin konnte er seinen Stolz kaum verbergen, sieben Enkel und Enkelinnen zu haben (bei zwei Töchtern wirklich ein zufriedenstellendes Ergebnis)! Zu schimpfen und zu granteln und dabei alles eigentlich ganz lieb meinen, das kann der Bayer richtig gut. So sagte mein Opa jedes Mal zur Verabschiedung: „Geh mit Gott! Aber geh!“. Ich finde, das zeigt schon ganz gut den Charakter eines Bayern. Seine Wortwahl und seine Aussage sind eher ruppig, aber meinen tut er‘s ganz lieb.

Bamhackl-Alarm

Eines meiner „Achtung – jetzt wird’s kritisch“-Wörter war als Kind Bamhackl. Damit bezeichnete mein Papa den Schmutz am Hals, der sich ablöst, wenn man seinen Hals kräftig schrubbt. Das habe ich als Kind logischerweise gar nicht gern gemacht. Dass es einfach insgesamt den Schmutz meint, der sich an unwegsamen Körperstellen wie dem Hals oder hinter den Ohren ansammelt, und nicht nur spezifisch den Schmutz am Hals bedeutet, habe ich erst später gemerkt. Zwar hasste ich das Schrubben abgrundtief, habe es aber als kleines Mädchen über mich ergehen lassen, immerhin wollte ich kein Bamhacklater (schmutzige Person) sein.

Des is a so schiach!

Das bayerische Wort, das ich auch heute noch am häufigsten benutze, ist schiach. Auf dem Land kennen das eigentlich noch alle, bei den Münchnern muss man Glück haben, dass sie wissen, wovon ich spreche. Münchner und andere Großtstädter werden übrigens auf dem Land missfällig Stodterer genannt. Hört sich neutral an, ist es aber nicht. Und hat im Übrigen auch nichts mit Stottern zu tun, sondern mit Städterer, Menschen aus der Großstadt. Auch mit schiach will ich mein Missfallen zum Ausdruck bringen: Schiach heißt schlicht und ergreifend hässlich. Dabei kann man die Hässlichkeit gekonnt zum Ausdruck bringen, indem man schiach bis zum Unendlichen dehnt und das i richtig heftig betont (dabei kommt auch der Ausruf ihh richtig gut zur Geltung, obwohl das eigentlich gar nichts damit zu tun hat): „Der Neubau is so schiiiiach!“.

Von der oiden Rutschn und dem Daddl

Einige meiner Favoriten, zu denen ich aber (Gott sei Dank noch) nicht direkt Bezug habe, ist zum Beispiel Oide Rutschen. Eine oide Rutschn ist nicht etwa eine alte Rutsche auf dem Spielplatz, sondern damit meint der Bayer eine alte Frau. Das männliche Pendant wäre übrigens Daddl (nicht zu verwechseln mit Diddl, der Maus). Ein Daddl ist ein oida Mo (=alter Mann), der schon ziemlich zittrig daherkommt. Noch schlimmer wird’s übrigens, wenn die alte Frau nicht nur als oide Rutschn bezeichnet wird, sondern auch als Antn. Diese Metaphorik meint, dass sie watschelt wie eine Ente und womöglich auch ebenso dumm daher quakt. Kontern könnte die oide Rutschn ihrem Widersacher mit folgenden Worten: „Sie san a so a Aff!“. Zu Hochdeutsch: „Sie sind so ein Affe!“. Hinter Aff steckt allerdings nicht dasselbe Konzept wie hinter dem standarddeutschen Wort Affe. Im Bayerischen bezeichnet Aff nicht nur eine alberne, sondern kann auch eine eitle Person meinen. Oder wenn das Erscheinungsbild etwas anderes nahelegt: „Sie san a so a Bochratz!“. Eine Bachratte wird metaphorisch für eine ungepflegte Person verwendet.

Bettbrunzer und Kniabiesler

Mein Opa sprach übrigens oft vom Brunzn, die vulgäre Bezeichnung für biesln (=urinieren). Er war eben durch und durch ein Bayer. Wer jemand anderes beleidigen möchte, kann ihn derb als Bettbrunza denunzieren. Noch derber wird es mit dem Schimpfwort Brunzkachl. Ein toller Hecht, der sich selbst so vorkommt und noch nicht ganz ausgewachsen ist, nennt der Bayer Kniabiesla (Kniebieslern = unreifer Bursch).

D’Ratschkatl

Unser Nachbar nannte mich, als ich noch klein war, Ratschkatl. Das bezeichnet abfällig eine Frau, die viel und gerne redet (ratschen = reden). So ganz passte das nie, war ich doch als Kind extrem schüchtern und habe ganz und gar nicht viel geratscht (da passt es mittlerweile viel besser!). Aber er hat es wohl weniger wegen des Ratschens als vielmehr wegen Katl als bayerische Abkürzung meines Namens Katharina benutzt und auch hier hat er zwar ein Schimpfwort verwendet, aber dabei immer so lieb gegrinst, dass er es gar nicht böse gemeint haben kann. Stolz war ich sowieso auf den Spitznamen vom Nachbarn, meine Geschwister hatten nämlich keinen und das war das Einzige, was zählte. Als Ratschkatln dürfen übrigens auch Frauen mit anderen Namen bezeichnet werden, ausschlaggebend ist eine gewisse Anzahl und zugleich geringe Qualität an Wörtern pro Tag, die betreffende Person von sich gibt.

Frauennamen als Schimpfwörter

Nicht nur Katharinas haben einen schweren Stand in Bayern, auch Frauen und Mädchen mit dem Namen Gretel. Eine damische Gretel bezeichnet eine wirklich dumme Frau. Dieses Schimpfwort gebraucht der Bayer im Gegensatz zur Ratschkatl nie auf liebevolle Weise. Also Vorsicht, falls Sie einmal so genannt werden, da ist keinerlei Interpretationsspielraum möglich. Anders bei der Urschl (=Ursula): Urschl bedeutet zwar eigentlich ein dummes, einfältiges Weib, aber kann ebenso wie Ratschkatl eigentlich ganz nett gemeint sein. Ebenso einfältig und ungeschickt ist eine Drutschn, auch ein auf Frauen gemünztes Schimpfwort. Und eine Fettel ist nicht etwa eine besonders passionierte Rennfahrerin, sondern eine beleibte Frau.

Dschamsterer

Auch ein beliebtes Wort, das meine Großeltern gerne und oft einsetzten und es tatsächlich gar nicht so meinten, ist Dschamsterer. Interessanterweise stelle ich jetzt erst infolge meiner Recherchen für diesen Artikel fest, dass wir es gänzlich anders benutzen, als anscheinend die restliche bayerische und österreichische Welt. Und zu definieren wer jetzt eigentlich „wir“, die ein anderes Konzept hinter diesem Wort sehen, sind, fällt mir auch schwer. „Wir“ – eine Definition bleibt aus – sehen hinter Dschamsterer einen Liebhaber, der ein gschlampertes Verhältnis mit seiner Herzensdame führt. Eine Affäre also, die von den Schwiegereltern gar nicht gerne gesehen wird. Googelt man jedoch Dschamsterer, so zeigt sich, dass diese Bezeichnung wohl seine Ursprünge im Österreichischen hat und eine Kontamination aus ‚gehorsamster Diener‘ ist. Er ist also seiner Liebsten nicht nur ein Gspusi (=Liebhaber), sondern dieser auch ziemlich hörig. Also so hat das mein Opa sicherlich nicht verstanden (oder wir haben das immer missverstanden)! Aber er verwendete es gerne und recht häufig, wenn er meinte, ob man denn nicht mal wieder seinen Dschamsterer mitbringen wolle. Damit meinte er dann übertragen schlicht und ergreifend den festen Freund.

Sozialer Abstieg als Klampahaferl

Einen Titel, den man als Kind überhaupt nicht gerne mochte, hing doch der soziale Status immens davon ab, war Klampahaferl. Wurde man als solches verspottet, so fühlte man sich stets zu Unrecht getroffen. Denn in den Augen der anderen eine Petze – ja, eine niederträchtige Petze! – zu sein, das war der soziale Abstieg im Kindergarten! Da durfte man dann nur noch mit dem Hansi, ein wirklich gwamperter Uhu (gwampert = dick), mit dem Schorsch, ein absoluter Haumtaucher (=Haubentaucher: unfähiger und unkonzentrierter Mensch) oder mit der Moni, eine recht gescheate Moin (=ungehobelte Frau) spielen!

Denke ich über die Relikte aus meiner bayerischen Kindheit nach, so sind mir wirklich nur schiach und Hirsch als Schimpfwörter geblieben, die ich tatsächlich so richtig häufig benutze. Eigentlich traurig, sind das doch die langweiligsten und harmlosesten Schimpfwörter! Und dass ich nie fluche und schimpfe, daran kann es gewiss nicht liegen! 😉

Üba an Kommentaa dad i mi narrisch gfrein, host mi!!! Und zwoar: Weachane Schimpfweata mogst du bsonders und weachane foin? Aba ned vergessn, i hob a no a Listn mit mehraren Wöatan: Bayerische Schimpfwörter

Woher kommt eigentlich Ällabätsch?

Bild: Splitshire.com

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Aufgewachsen in einer bayerischen Kleinstadt, in der (leider) wenig Bairisch gesprochen wird, nahe der Weißwursthauptstadt München entdeckte ich während meines Lehramtsstudiums die Linguistik für mich. Das Lehramtsstudium gibt es jetzt nicht mehr, die Linguistik ist geblieben. Im Sommer 2013 habe ich meinen Magister in der Linguistik, in DaF und der Lateinischen Philologie abgeschlossen und arbeite seither in der Onlinebranche. Der Blog und damit auch die Linguistik sollen bleiben. Weitere Infos über mich findet man auf Google+ und Twitter.

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