16 Abweichungen, die Sie und ich jeden Tag falsch machen, würden wir Standarddeutsch sprechen wollen (aber wollen wir ja auch gar nicht immer)
Jeden Tag schreiben und sprechen wir anders, als es die amtliche Rechtschreibregelung für uns vorgesehen hat. Hier werden häufige Rechtschreibfehler bzw. Abweichungen der Standardsprache aufgelistet und die Gründe dafür. Aber das soll keine Aufforderung sein, anders zu sprechen! Ganz im Gegenteil – unterliegt doch die gesprochene Sprache einem anderen System als die geschriebene. Doch schriftlich sollten wir – zumindest in der geschäftlichen Korrespondenz – einheitlich bleiben, um die Kommunikation zu erleichtern. Und da wir alle Fehler machen, soll dies ein Artikel ohne Häme sein – denn davon gibt es schon viel zu viele!
1. Kreißsaal oder Kreissaal?
Als Kind mit noch nicht voll ausgebildeten Rechtschreibkenntnissen fragte ich mich, ob das Krankenzimmer, in dem die Babys zur Welt kommen, immer kreisrund sein muss. Das veraltete Verb kreißen (=gebären) war mir fremd. Wer also Kreissaal schreibt, macht vielleicht einen Rechtschreibfehler, hat aber zumindest versucht, dem Wort einen Sinn zu geben.
2. Standard oder Standart?
Aufgrund der Auslautverhärtung, eine Ausspracheregelung des Deutschen, werden alle Konsonanten am Ende eines Wortes hart ausgesprochen unabhängig von der Schreibung. Daher wundert es nicht, dass auch die von der Standardschreibung abweichende Variante Standart gang und gäbe ist (Vorsicht, nicht gang und gebe!).
3. Modell oder Model?
Hierbei handelt es sich um zwei unterschiedliche Begriffe. Zunächst einmal der Model: Das ist eine Backform und Druckform. Das Model ist ein Mannequin, während ein Modell eine Art Muster und Nachbildung ist. Ein Mensch kann Model und Modell zugleich sein: Als Model steht er vor der Fotokamera, als Modell vor dem Künstler (Gemeinsamkeit: Oftmals wenig bis gar nicht bekleidet). Und warum wird das so oft verwechselt? Das Fotomodell wird mit doppeltem ‚l‘ geschrieben!
4. Sonntagnachmittag oder Sonntag Nachmittag?
Tatsächlich schreibt man den Nachmittag am Sonntag und an allen anderen Wochentagen zusammen: Sonntagnachmittag. Das war aber nicht immer so. Nicht verwunderlich bei so viel Wirrwarr um die deutsche Rechtschreibung, dass manche noch nach der alten Rechtschreibung schreiben.
5. Inbusschlüssel oder Imbusschlüssel
Wer schwedische Möbel aufbauen möchte, der benötigt einen Inbusschlüssel. Das Wort ist ein Kunstwort aus ‚Innensechskantschlüssel der Firma Bauer und Schaurte‘. Weil wir aber nie so deutlich sprechen, kann man durchaus ein ‚m‘ statt einem ‚n‘ verstehen. Versuchen Sie es selbst, sagen Sie Inbus zehnmal laut hintereinander. Hört es sich am Ende mehr wie ein ‚m‘ statt einem ‚n‘ an?
6. Liebe Grüße, deine Ute
Bisher gilt: Nach der Grußformel steht kein Komma (Richtiges und gutes Deutsch, Duden Band 9, S. 193).
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Katharina Türmer
7. Birte’s Hundefrisiershop
Obige Setzung des Apostrophs war früher laut Duden falsch. Denn im Deutschen wird der Genitiv mit einigen Ausnahmen (z.B. zur Unterscheidung von männlichen und weiblichen Namen: Andrea’s Shop) nicht mit Apostroph getrennt. Mittlerweile „erlaubt“ die deutsche Rechtschreibung allerdings bei Eigennamen bzw. Firmennamen obige Schreibung (§ 97 E). Hier zeigt sich: Was oft genug gebraucht wird, fließt in die Standardsprache ein. Und für alle Kritiker: Gut so, sonst wäre unsere Sprache im wahrsten Sinne des Wortes tot!
8. Tod oder tot?
Geht es um den Tod, versteht die deutsche Sprache keine Sperenzchen (Vorsicht, es heißt nicht Spirenzchen!): Wird dieser Begriff als Adjektiv gebraucht, schreibt man es mit einem harten ‚t‘. Doch sowohl das Nomen als auch das Adjektiv werden exakt gleich ausgesprochen. Sie erinnern sich, die Auslautverhärtung! Das kann dann schon mal zu Verwirrung führen kann. Die deutsche Sprache ist nicht tot. Die deutsche Sprache ist nicht tot. Die deutsche Sprache ist nicht tot.
9. Ende diesen Jahres oder Ende dieses Jahres?
Machen Sie es „richtig“? Da es sich um den Genitiv handelt, muss es standarddeutsch Ende dieses Jahres heißen. Ende diesen Jahres resultiert wohl aus einer Parallelbildung zu Ende nächsten Jahres, Ende vorigen Jahres etc. Doch der Duden verbietet es nicht wirklich, sondern rät nur davon ab.
10. Gewinkt oder gewunken?
Was sich seltsam anhört, ist standardsprachlich korrekt: Tatsächlich heißt das Partizip zu winken gewinkt. Verben, die sich darauf reimen, verhalten sich jedoch anders: Trinken oder auch sinken werden unregelmäßig gebildet: Getrunken, gesunken. Spricht einer von gewunken, wähnt er bei Verben mit -inken eine Regelbildung. Gar nicht so doof!
11. Gescheint oder geschienen?
Zwar wird das Partizip zu winken regelmäßig gebildet, hier ist es aber genau andersherum. Standardsprachlich einwandfrei heißt es: Die Sonne hat geschienen. Woher kommt die „falsche“ Bildung? Weinen, das sich darauf reimt, wird regelmäßig gebildet: geweint.
12. Sie sind klüger wie ich!
Wann verwende ich als und wann wie? Die Vergleichspartikel sind sich ähnlich, aber nicht ganz: Wie wird bei einem Positiv, als bei einem Komparativ verwendet. Ist das Vergleichsadjektiv nicht gesteigert, benutzen Sie am besten wie. Ist es um eine Stufe gesteigert (=Komparativ), macht sich als am besten. Wenn Sie das bereits gewusst haben, sind Sie klüger als die meisten. Aber genauso klug wie zuvor!
13. Wahnsinns-Wetter! Lieblings-Song!
Der Bindestrich ist hier nicht notwendig, denn im Deutschen können Wörter ohne Leerstelle zusammengezogen werden. Bei manchen Komposita (=zusammengesetzte Wörter) haben sich im Laufe der Zeit Fugenelemente eingeschlichen. Zum Beispiel das ‚s‘ in Wahnsinnswetter, im Lieblingssong oder im Schweinsbraten, aber auch das ‚e‘ in Schweinebraten. *Wahnsinns und *Lieblings sind hier also keine Adjektive, sondern Nomen samt Fugenelement. Möchte man die Fügung auseinander schreiben, so verwendet man einfach das Adjektiv: Ein wahnsinniges Wetter. Das heißt dann allerdings etwas anderes.
14. Das ist ein hammer Wetter!
Noch heißt es richtig geschrieben: Ein Hammerwetter! Ebenso wie Affenhitze oder Mordsspaß. Denn auch ein Nomen kann steigern. Sprachwissenschaftlich spricht man bei solchen Fügungen von Steigerungskomposita. Doch Wörter können ihre Kategorie wechseln. Verwenden wir es oft genug „falsch“ als Adjektiv, könnte es uns schon bald auch im Duden als Adjektiv begegnen. Und so hammerdoof wäre das doch nicht?
Wie Sie gerade gesehen haben: Nomen können auch Adjektive und Adverbien steigern, passen sich dann jedoch der Kleinschreibung des Grundwortes an.
15. Wiederspiegeln oder widerspiegeln?
Schreibt man wiederspiegeln mit ‚ie‘, meint man darin eine Analogie zu wiedergeben zu erkennen. Semantisch gesehen wäre beides möglich. Historisch stammt der erste Teil des Kompositums von wider ab. Hat man kein sprachhistorisches Lexikon zur Hand, wäre die Analogiebildung ein angemessenes Verfahren, um die Bestandteile zu analysieren. Hier ist das allerdings falsch.
16. Das waren noch nicht die einzigsten Abweichungen! Wir haben in keinster Weise das Maximalste ausgeschöpft! Dennoch habe ich vollstes Vertrauen, dass Sie dies nicht als reinsten Unsinn ansehen, ich habe versucht, es auf optimalste Weise darzustellen mit extremsten Beispielen für eine absolutere Sicht auf die Dinge! Extremere Beispiele gibt es nicht!
Manche Wörter drücken zwar den Superlativ, die höchste Steigerung, aus, man sieht es ihnen aber gar nicht an! Das typische Superlativsuffix -(e)st fehlt nämlich: einzig, kein, maximal etc. Und so steigert man doppelt gemoppelt. Wer doppelt steigert, der ist nicht doof, sondern hat erkannt, dass in der deutschen Grammatik im Normalfall ebendieses Suffix dazugehört. Und mal ehrlich: Stören uns Dopplungen wirklich? Wer das mit Ja beantwortet, sollte ab jetzt folgende Worte nicht mehr benutzen: vorprogrammieren, vorankündigen, nachfolgend, herunterfallen, hinausblicken, einfüllen, aufsteigen, aufpimpen, aufblähen, abtrennen oder auseinanderdividieren. Diese Verben sind alle doppelt gemoppelt. Für alle anderen: Schön, dass wir mit der deutschen Sprache spielen können und dürfen, denn: Die deutsche Sprache ist nicht tot! Und schon gar nicht toter als andere Sprachen.
Und zu allerletzt (Sie haben sicherlich gleich bemerkt, auch dieses Wort ist doppelt gemoppelt): Absolute Adjektive können in der Regel nicht gesteigert werden, wie tot, lebendig, schwanger etc. Es gibt aber Ausnahmen, wie Sie sehen.
Häufige Rechtschreibfehler haben einen Grund. Oftmals ist es eine falsche Analogiebildung oder die Anpassung an die Aussprache. Was falsch ist, muss nicht falsch bleiben. Das wäre nämlich ihr Tod. Und Sie wissen ja, die deutsche Sprache ist nicht tot!
Auch die Verwendung des Dativs wird häufig kritisch betrachtet. Nicht so auf Sprachschach! Hier finden Sie das Plädoyer für den Dativ: Der Dativ ist dem Sprecher eine Hilfe
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