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Spießgeselle: Wie aus einem Waffengefährten ein Mittäter wurde

Wirtschaft "Zum Spießgesellen" in Nürnberg
Vor einigen Wochen unternahm ich an Mariä Himmelfahrt einen Kulturtrip nach Nürnberg. Nach dem Besuch des Germanischen Nationalmuseums bin ich noch ein wenig durch die Innenstadt geschlendert und dabei im Herzen der Altstadt auf die Wirtschaft „Zum Spießgesellen“ gestoßen. Da ich mich neben Suchmaschinenalgorithmen auch für Geschichte und die Herkunft der Wörter unserer Sprache interessiere, habe ich mich nach meiner Rückkehr in etymologischen Wörterbüchern auf Spurensuche nach dem „Spießgesellen“ begeben.

Und bin dabei im Soldatenwesen des Mittelalters fündig geworden. Allerdings wird dieses Wort, mit dem früher einfache Soldaten bezeichnet wurden, heute zumeist abwertend im Sinne von „Helfershelfer“, „Handlanger“, „Komplize“ oder „Mittäter“ gebraucht. Eine Person als „Spießgesellen“ zu titulieren, ist also wenig schmeichelhaft. Spießgesellen, so die landläufige Meinung, verfolgten ihre Ziele ohne Rücksichtnahme auf Recht und Moral.

Dabei hatten Spießgesellen nicht immer mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Das „Onomatische Wörterbuch“ von Joseph Kehrein versteht unter einem Spießgesellen „nur den einzelnen Waffen- oder Kampfgenossen (…)“. Auch das „Deutsche Wörterbuch“ von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm kennt den „Spieszgesell“ ursprünglich als Soldaten, „der ein spiesz oder glän führt.“ Erst seit dem 17. Jahrhundert wurde aus dem „Waffengefährten“ der „Mittäter eines Verbrechers“, wie das Herkunftswörterbuch des Duden-Verlags aufklärt. So schreibt die Kurpfalzbaierische Münchner Staatszeitung von Lorenz Hübner 1802: “ (…) Bensel, Spießgeselle vom Schinderhannes, ist am 8ten Pluviole (28ten Jän.) nach einer (…) Sitzung von dem (…) Kriegsgerichte (…) zum Tode verurteilt worden. Er war des Mordes und Straßenraubes in Gesellschaft seines Meisters überführt.“

Der „Spießgeselle“ hat im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel durchgemacht. Wie kam es jedoch zu dieser Bedeutungsverschlechterung?

Zuchtlosigkeit der damaligen Soldaten

Spieß-geselle: Wie der Name bereits andeutet, war der meterlange Spieß (auch Pike genannt) vor dem Aufkommen der Feuerwaffen die typische Waffe der sogenannten Landsknechte. Landsknechte waren Söldner, die im Spätmittelalter von einem Kriegsherren für einen für damalige Verhältnisse attraktiven Sold angeworben wurden und für diesen in den Kriegen der damaligen Zeit als Fußvolk kämpften. Gerade für ärmere Schichten waren Söldnerheere eine willkommene Art, den Lebensunterhalt zu verdienen. Doch diese Truppen waren undisziplinierte Haufen, die „weder einer einheitlichen Taktik noch einem gemeinsamen Gesetz folgten“. Die Zuchtlosigkeit der Soldaten, bedingt unter anderem durch nicht gehaltene Versprechungen der Fürsten, ihre üblen Trinksitten, Raufereien und Raubzüge führten dazu, das der „Spießgeselle“ seit dem 17. Jahrhundert nur noch in pejorativem Sinn Verwendung findet.

Übrigens: Die Gaststätte „Zum Spießgesellen“ ist natürlich nur Treffpunkt von unbescholtenen Gesellen. Dafür genießt man dort – nomen est omen – Spezialitäten vom und am Spieß, zum Beispiel leckeres Spanferkel-Schäufele. Sprachforschung macht schließlich hungrig! 🙂

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Auch wenn während des Studiums Zahlen im Mittelpunkt standen, gilt meine Leidenschaft neben der französischen auch der deutschen Sprache - vor allem in gedruckter Form. Ob als freier Journalist für die Zeitung meiner Heimatstadt Augsburg, als langjähriger Spielberichterstatter für den dortigen Bundesliga-Klub oder als Autor eines französischen Jugendmagazins: In meiner Freizeit drehte und dreht sich viel um das Thema Schreiben. Auch beruflich habe ich als Content Manager mit Texten zu tun, und zwar überwiegend mit Webtexten für Online-Shops. Schach kann ich zwar nicht spielen, dafür spiele ich umso lieber mit Sprache. Sprachschach bietet mir eine wunderbare Möglichkeit, mich in Sachen Rechtschreibung, Grammatik & Co. einmal so richtig auszutoben. Hier geht's zu meinem Xing- und Google+-Profil!

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